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Globale Hitzewellen: Wie heiß ist zu heiß?

Mit dem Klimawandel steigen die Lufttemperaturen, die Zahl der heißen Tage und Hitzewellen nimmt zu, die Zahl der Frosttage und Kältewellen nimmt ab. Wann werden Hitzewellen zu einer Gefahr für den Menschen und wann ist heiß schon zu heiß?

Der Klimawandel wirkt sich in vielerlei Hinsicht auf unsere Umwelt aus – die Hitze ist eine Veränderung, die wir in 2022 besonders zu spüren bekommen haben. Die Hitzewellen werden stärker, dauern länger, werden häufiger und heißer: Die letzten Jahre waren die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Klimamodelle sagen voraus, dass der Anstieg der mittleren Jahreslufttemperatur in Zukunft zu noch heißeren Sommern führen wird. In Deutschland beispielsweise gibt es bereits verlässliche Hinweise darauf, dass sich die maximale Lufttemperatur in Richtung extreme Hitze verschieben wird. In Süddeutschland werden bis zum Ende dieses Jahrhunderts bis zu 30 Hitzeperioden pro Jahr erwartet (Sustainability TimesUmweltbundesamtKLUG).  

Hitzestress und hohe bodennahe Ozonkonzentrationen während Hitzewellen erhöhen ebenfalls das Krankheits- und Sterberisiko: Laut Lancet Countdown (2018) werden in der EU bis 2030 bereits 30.000 zusätzliche hitzebedingte Todesfälle erwartet (KLUG). 

aware_ hat sich dem Thema angenommen, geschaut, wie heiß zu heiß ist und was man dagegen tun kann. 

globale Hitzewellen

Der menschliche Körper 

Um zu verstehen, warum Hitze ein so großes Problem ist, werfen wir einen Blick darauf, was im menschlichen Körper passiert, wenn er extremer Hitze ausgesetzt ist. Unser Organismus ist bestrebt, seine Temperatur konstant bei etwa 37 Grad Celsius zu halten. Diese Temperatur darf nur geringfügig schwanken. Steigt die Außentemperatur, passt sich der Körper an, die Blutgefäße weiten sich und die Haut beginnt zu schwitzen. Bei langer und intensiver Hitze funktioniert diese natürliche Temperaturregulierung jedoch nicht mehr richtig. Der Blutdruck sinkt, die Durchblutung verschlechtert sich und der Körper verliert Flüssigkeit und Salze. Das belastet das Kreislaufsystem besonders. Das Herz muss härter arbeiten, um Blut zur Haut zu pumpen, um die Wärme abzuleiten (t-onlineÄZQSustainability Times). 

Temperatur und Luftfeuchtigkeit spielen dabei eine besondere Rolle: Bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit kann der Schweiß auf der Haut nicht mehr verdunsten. Die sogenannte Feuchtkugeltemperatur (englisch: wet-bulb temperature) beschreibt die niedrigste Temperatur, die durch Verdunstung erreicht werden kann – in einer Umgebung mit einer bestimmten Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Dieser Wert ist zentral für unsere Thermoregulation. Unterhalb dieser Grenze ist der Körper in der Lage, über einen längeren Zeitraum eine relativ stabile Kerntemperatur aufrechtzuerhalten. Ist die Feuchtkugeltemperatur zu hoch, können wir keine Wärme mehr an die Umgebung abgeben. Und steigt sie weiter an, steigt das Risiko hitzebedingter Erkrankungen und der Körper kann tödlich überhitzen (NZZSustainability Times). 

Aber wie heiß ist zu heiß? 

Neben anderen Untersuchungen zeigt eine aktuelle Studie des Noll-Labors der Penn State University an jungen gesunden Menschen, dass die obere Umweltgrenze sogar noch niedriger liegt als die bisher angenommenen 35 Grad. Sie liegt eher bei einer Feuchtkugeltemperatur von 31 Grad. Das entspräche 31 Grad bei 100 Prozent Luftfeuchtigkeit oder 38 Grad bei 60 Prozent Luftfeuchtigkeit. Die aktuellen Hitzewellen rund um den Globus nähern sich diesen Grenzwerten an, wenn sie sie nicht sogar überschreiten (Nachhaltigkeitszeiten). 

Der Deutsche Wetterdienst definiert einen „heißen Tag“ als einen Tag, dessen Höchsttemperatur über 30 Grad liegt, und eine „Tropennacht“ als eine Nacht, deren Tiefsttemperatur 20 Grad nicht unterschreitet (Umweltbundesamt). 

Neben der Temperatur ist auch die Länge einer Hitzewelle von Bedeutung. Liegt der Wert über 32 Grad, kann körperliche Aktivität gefährlich werden. Ab 35 Grad besteht akute Lebensgefahr. Denn an dieser Stelle versagt der menschliche Kühlmechanismus komplett. Experten schätzen, dass selbst ein gesunder Mensch, der sich im Schatten ausruht, eine Feuchtkugeltemperatur von 35 Grad nur etwa sechs Stunden überleben kann (NZZ). 

Im Mai 2022 wurden im indischen Bundesstaat Kerala Temperaturen von über 34 Grad gemessen. Das ist ein Rekord in diesem Bereich. Die höchsten Werte werden in der Golfregion gemessen. Dort näherte sich dieser Wert in 2015 auf 35 Grad. Als Referenz wird eine Feuchtkugeltemperatur von 35 Grad erreicht, wenn die Lufttemperatur 45 Grad beträgt und die relative Luftfeuchtigkeit 50 Prozent beträgt (NZZ).

globale Hitzewellen

Was passiert, wenn es zu heiß ist? 

Diese Temperaturen bergen ein hohes Schadenspotenzial für Mensch und Umwelt. Wie bereits erwähnt, kann das körpereigene Kühlsystem bei Hitze überlastet werden. Die Folge sind Regulationsstörungen und Kreislaufprobleme mit typischen Symptomen wie Kopfschmerzen, Erschöpfung und Schläfrigkeit. Besonders betroffen von diesen Symptomen sind ältere Menschen und Menschen mit chronischen Vorerkrankungen. In ganz Westeuropa starben zwischen Juni und August 2003, einem der heißesten Sommer der letzten Jahre, schätzungsweise 70.000 Menschen mehr als in einem Sommer ohne Hitzewelle. Besonders stark betroffen waren Italien und Frankreich mit jeweils fast 20.000 Hitzetoten (NZZUmweltbundesamt). 

Zudem fördern hohe Lufttemperaturen in Verbindung mit intensiver Sonneneinstrahlung die Bildung von schädlichem bodennahem Ozon. Zusammen mit Feinstaub und Stickoxiden reizt das Gemisch die Schleimhäute der Lunge oder der Augen und wirkt als Beschleuniger für Lungenerkrankungen (ZEIT). 

Auch extreme Hitze gilt als allgemeiner Stressfaktor, der nicht nur der körperlichen, sondern auch der psychischen Gesundheit schadet. Dieses Phänomen beruht wahrscheinlich auf einer Mischung aus biologischen Faktoren und psychologischen Einflüssen: Der Alltag wird schwerfälliger; wir erledigen weniger und lassen uns leichter ablenken. Kommt es auch nachts zu Schlafstörungen, weil sich die Umgebung kaum abkühlt, fehlen dem Gehirn wichtige Ruhephasen, die für die Gedächtnisbildung entscheidend sind. Aus biologischer Sicht gibt es mehrere Theorien, etwa dass Hitze zur Aktivierung winziger Entzündungsherde im Gehirn führen könnte, die die Kommunikation zwischen den Nervenzellen stören oder sogar schädigen könnten. Es könnte aber auch daran liegen, dass Hitze den Stoffwechsel von Neurotransmittern wie Dopamin oder Serotonin durcheinander bringt, deren Gleichgewicht enorm wichtig für unser Fühlen, Denken und sogar den körpereigenen Thermostat ist. Hinzu kommt die Angst vor der Zukunft. Und das zu Recht: Die Menschheit ist in Gefahr. Umso wichtiger, jetzt aktiv gegenzusteuern (ZEITNetDoktor). 

Was können wir tun? 

Das Wichtigste ist natürlich, die Ursachen zu bekämpfen, indem die Emissionen so schnell und effektiv wie möglich reduziert werden. Klimafreundliche Alternativen zu energieintensiven Klimaanlagen kommen beispielsweise in Südeuropa zum Einsatz: Dort sind Gebäude mit dicken Mauern oft zugewachsen oder von Pflanzen umgeben, die als natürliche Klimaanlagen dienen und ihre unmittelbare Umgebung um mehrere Grad kühlen (GEO).  

Wir selbst können vorbeugende Maßnahmen ergreifen, um uns vor extremer Hitze zu schützen. Dazu gehören ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen, Alkohol und Koffein zu vermeiden, eine leichte, mineralstoffreiche Ernährung zu sich zu nehmen, lauwarm zu duschen, Fußbäder oder feuchte Tücher zu nehmen, luftige Kleidung zu tragen, sich an kühlen, schattigen Orten aufzuhalten und direkte Sonneneinstrahlung zu vermeiden (ÄZQ). 

In Deutschland hat die Bundesregierung in Anlehnung an das Pariser Klimaabkommen von 2015, das neben Klimaschutzmaßnahmen auch Ziele zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels setzt, eine vorsorgende Klimaanpassungsstrategie mit messbaren Zielen entwickelt. Offizielle Hitzewarnungen lokaler Wetterdienste können die Öffentlichkeit vor längerer Hitzeperiode warnen (BMBFStadt Erkrath).

– von Marie Klimczak 

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